Zukunftsrecht Klimaschutz

Das Bundesverfassungsgericht urteilt im Sinne der jüngeren Generation! Das Bundes­klimaschutz­gesetz von 2019 ist nicht mit den Grundrechten vereinbar, weil darin nicht steht, wie und wie weit Treibhausgas-Emissionen ab 2031 gemindert werden sollen. Dadurch würden der Kampf gegen den Klimawandel sowie seine Lasten und Gefahren auf die heutigen Kinder und Jugendlichen abgewälzt.

Rechts-Innovation made in Karlsruhe

Rechtlich gesehen ist das ein epochaler Schritt nach vorne. Bisher wurden immer nur zeit­genössische Interessen gegen­einander abgewogen. Jetzt wurden gegenwärtige Interessen zugunsten zukünftiger beiseite geschoben. Im Grunde ist das ein Präzendenz­fall auch für die Atomenergie-Nutzung und Atommüll-Endlagerung, wo die Ewigkeits­kosten von den nächsten tausenden Generationen getragen werden müssen, sofern es diese denn überhaupt einmal geben wird.

Auch hinsichtlich der Bildungsmisere ließe sich vielleicht ein juristischer Ansatzpunkt finden, mit dem beendet werden könnte, dass die heutigen Kinder wegen schlechter Bildung zeitlebens soziale, berufliche und finanzielle Nachteile erleiden müssen.

Klimaschutz ist ein Menschenrecht

Doch zurück zum Klimaschutzgesetz: Neun junge Klima-Aktivist*innen hatten beim Bundes­verfassungs­gericht gegen das Klimaschutz­gesetz geklagt. Das Urteil fordert, nur noch so viel Treibhausgase zu emittieren, dass zukünftige Generationen noch Raum für deren eigene Freiheit, Entwicklung und Leben haben werden. Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Bundes­regierung dazu verpflichtet, bis Ende 2022 festzulegen, wie die Klima­neutralität realisiert wird, bevor das 2-Grad-Ziel überschritten wird.

Dabei geht es um Artikel 20a des Grundgesetzes: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebens­grundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungs­mäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Verantwortung ist hier nun keine leere Worthülse mehr, sondern eine Schutzpflicht. Künftige Generationen haben Rechte, die geschützt werden müssen.

Drastische Maßnahmen

Corona sei Dank, haben wir zuletzt etwas Verzicht eingeübt. Die Durchsetzung ambitionierter Klimaschutzziele wird unsere bisherige, viel zu verschwenderische und bequeme Lebensweise stark einschränken. Dass die notwendigen Klimaschutz­maßnahmen uns wehtun werden, müssen wir nach dem Willen der Karlsruher Richter*innen hinnehmen, denn unser kurzsichtiger und zerstörerischer Lebensstil ist weniger wichtig als die Grund- und Menschenrechte kommender Generationen.

Wir haben kein Recht, das Klima zu erwärmen. Klimaschutz ist zugleich Menschenrechts­schutz. Um Klimaschutz zu gewährleisten, müssen aktuelle Maßnahmen verschärft werden, Zwischenziele auf dem Weg zur Klima­neutralität müssen definiert werden, im Gesetz muss stehen, welche Ziele wie erreicht werden und wie insgesamt die Klima­neutralität in welchen Etappen bis wann realisiert sein muss.

Klimapolitische Fehlerteufel

Zum Ende ihrer Amtszeit fällt Angela Merkel damit eines ihrer frühesten Verbrechen als Bundeskanzlerin auf die Füße, die Ausbremsung der Energiewende. Sicherlich muss nun auch das Kohleausstiegs­gesetz überarbeitet werden. Wenn die Kohle nun aber früher wegfallen muss, während noch nicht ausreichend erneuerbare Energien produziert werden, haben wir ein Problem.

Der Ruf nach einem Wiedereinstieg in die Atomkraft wird garantiert aufkommen, besonders von CDU/CSU, FDP und AfD, aber hoffentlich bleibt das Bundes­verfassungs­gericht dann bei der nun gezogenen, roten Linie, nach der zukünftige Generationen nicht ausbaden sollen, was wir ihnen eingebrockt haben.

Der Bock als Gärtner?

Wie Schwarz-Grün allerdings nach der Bundestagswahl im September mit Markt­mechanismen die erforderliche Klima­revolution herbeiführen will, wird eine Frage sein, die weitere, kostbare Zeit verschwenden wird. Wahrscheinlich werden Maßnahmen festgeschrieben, die die Schwachen belasten und die Reichen nicht berühren. Das war bisher immer so. Klimaschutz muss profitabel sein. Klima­neutralität wird also dadurch erreicht werden, dass die Armen abgekoppelt werden.

Ein alternatives, sozial-ökologisches Konzept ist von marktfrommen Christdemokraten und kapitalgläubigen Grünen nicht zu erwarten:

  • Christdemokraten sind traditionell ohnehin nicht an den Sorgen und Nöten der gesellschaftlich Schwächsten interessiert. Und das, was Karlsruhe jetzt fordert, hatte die CDU 2019 gegen den Willen der SPD abgelehnt.
  • Die Grünen haben bisher auch nur die Unter- und Mittelschicht belastet: Öko-Steuer, EEG-Umlage, energetische Modernisierungen (Kosten werden auf die Mieter*innen abgewälzt), Hartz-Gesetze, zentralisierte, konzern­getriebene Energiewende und teure Elektro-Individual­mobilität sind warnende Beispiele genug.

Wo ich gerade „alternativ“ schrieb – nicht, dass jemand dabei an die sogenannte „Alternative“ für Deutschland denkt! Deren Fraktionsvorsitzende, Weidel, meint dazu: „Es ist nicht Aufgabe des #BVerfG, gesetzgeberisch tätig zu sein. Die #Bundesregierung zu zwingen, Klimaziele früher zu erreichen, ist aber genau das. Das BVerfG hat die Verfassung & Grundrechte zu schützen, nicht ideologische Klimaziele.“ Das ist nun wahrlich keine Alternative, sondern ein Abschied von jeglicher Restvernunft, besonders nachdem der menschengemachte Klimawandel inzwischen direkt bewiesen wurde.

Was die Zukunft bringen mag

Am ehesten wäre jetzt noch von der unverbrauchten Tierschutz­partei echter, sozialökologischer Klimaschutz zu erwarten, aber sie erhält zu wenig Stimmen, weil alle glauben, dass die Grünen eine sichere Bank seien. Nun, die Grünen werden gewinnen. Aber dafür bluten müssen dann die Schwächeren. Das tun die Grünen, ohne mit der Wimper zu zucken, denn Wähler*innen der Grünen verdienen sogar mehr als die der FDP.

Daher können wir uns wohl auf weitere, vermutlich lebenslange Klima- und Sozialproteste einstellen.

Nützlich könnte es auch sein, bei der Verfassung­gebenden Versammlung der GemeinwohlLobby mitzumachen, um darin den Klimaschutz felsenfest einzumeißeln und damit unser demokratisches System aufzuscheuchen.

Letztlich braucht es einen wie auch immer gestalteten Öko-Sozialismus, den man aber auch Gemeinwohl-Demokratie nennen könnte. Wichtig ist, dass die Kapitaleigner darin keine Macht mehr haben. Wahrscheinlich dürfen sie dazu auch kein Kapital mehr haben. Nur dann lässt sich eine lebenswerte Welt für alle verwirklichen.

Die Marktwirtschaft ist nur für einzelne Profiteure und deren gegenwärtiges Quartals­ergebnis da. Demokratisch lässt sie sich bekanntermaßen nicht beherrschen, weil ihre Lobbyisten und Versprechen nach der Wahl die Politik diktieren. So funktioniert das System, in dem wir leben, und das systemnotwendig in die Klimakatastrophe mündet. Dass ein Klimaschutz­urteil des Bundes­verfassungs­gerichts an dieser Machtstruktur etwas ändern könnte, ist so sicher wie die Existenz des Weihnachts­manns.